Gastbeitrag
Es wäre zu begrüßen, wenn die Bundeswehr sich zum Technischen Hilfswerk entwickelt und für Einsätze gegen Naturkatastrophen und Pandemien da ist. Dem ist leider nicht so, auch wenn kurz nach Ostern die Meldungen über den Beginn eines sog. Freiwilligendienstes in ihren Reihen diesen Eindruck erwecken könnten. Im April begann die Bundeswehr mit einer neuen Art Wehrdienst, der als „Freiwilligendienst Heimatschutz“ bezeichnet wird. Zugegeben, die Bundeswehr hat ein Nachwuchsproblem. Das wird sich aber weder mit unglücklichen Versprechungen in Werbekampagnen noch mit Wortschöpfungen beheben lassen.
Menschen, die einen Bundesfreiwilligendienst (BFD), ein Freiwilliges Soziales oder Ökologisches Jahr (FSJ oder FÖJ) oder einen internationalen Friedensdienst absolvieren, reiben sich verstört die Augen. Sie müssen mit einer monatlichen Bezahlung zwischen 150 und 426 EUR auskommen, während bei der Bundeswehr das 3 bis 9fache bezahlt wird. Beteuerungen von Systemrelevanz aus den letzten Monaten werden ad absurdum geführt.
Da die Einberufung zur Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt wurde, gibt es bei der Bundeswehr nur Freiwillige, was soll dann der neue Begriff? Wenn es sich hier um einen Freiwilligendienst handeln würde, wäre jedes Studium und jede Ausbildung eine solche. Auch dort sind Menschen freiwillig.
Beim sog. Freiwilligendienst der Bundeswehr wird mit Einsätzen bei Naturkatastrophen, Großschadenslagen oder Pandemien geworben. Wenn es vor allem darum ginge, hätten das Technische Hilfswerk, das Deutsche Rote Kreuz, die Malteser und Johanniter finanziell und personell gestärkt werden können. Die Bundeswehr ist eine Armee und keine Katastrophenschutzeinheit. Die Werbung verschweigt die wesentlichen Punkte, um die es bei einer Armee geht.
Die Einführung der neuen Art des Wehrdienstes folgt einer aktuellen Entwicklung in unserem Land, bei der 53,3 Mrd EUR, die die Bundesregierung als Kosten für Rüstung und Militär an die NATO gemeldet hat, Ausgaben für Zivile Konfliktbearbeitung in Höhe von 6,5 Mrd EUR entgegenstehen (Quelle: Bund für Soziale Verteidigung).
Ganz zu schweigen, dass bereits Jugendliche den sog. Freiwilligendienst leisten, die weder allein Auto fahren dürfen noch wahlberechtigt sind: das Mindestalter ist 17. Schon 2020 wurden 1148 Jugendliche unter 18 in der Bundeswehr ausgebildet (www.unter18nie.de). Das soll jetzt offensichtlich noch ausgeweitet werden.
Über Rolle, Aufgaben und Finanzierung der Bundeswehr sollten wir reden. Das kann im Rahmen der Kampagne „Sicherheit neu denken“ (www.sicherheitneudenken.de) geschehen, aber auch im Blick auf die Bundestagswahl im September.
Michael Zimmermann
Beauftragter für Friedens- und Versöhnungsarbeit
der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens
Bildquelle und offizielle Information der Bundeswehr – Tagesbefehl vom 6. April
Kritik von Links: „Freiwilliger Wehrdienst im Heimatschutz“: Bundeswehr rekrutiert für den Einsatz im Inneren